„Bildung ist das A und O!“

Ein Gespräch mit Matthias Friedrichs über den Umgang mit demokratiefeindlichen Äußerungen in der schulischen Ausbildung

1. Welche Berührungspunkte haben Sie als Ausbilder mit demokratiefeindlichen Äußerungen in Ihrem Berufsalltag? Wie sind sie in der Vergangenheit damit umgegangen?

Ich habe das große Glück, bei einem Arbeitgeber beschäftigt zu sein, der die demokratische Bildung bei mir in der Ausbildung fördert und unterstützt. Unser gemeinsames Ziel ist es, mündige Bürger*innen in den Verwaltungsalltag zu entlassen. Dabei kann ich viel Input zu demokratiebildenden Inhalten aus den Qualifizierungsseminaren der Fachstelle Fachpersonal in den Ausbildungsalltag miteinbringen.[1] Hierbei habe ich gemerkt, dass die besten Mittel Aufklärung und Bildung heißen, um vor allem präventiv tätig sein zu können.

Zudem organisiere ich viele aktive Berührungsmöglichkeiten mit den demokratischen Prozessen. So haben unsere Teilnehmenden[2] die Möglichkeit, Demokratie aktiv zu erleben, die Abgeordneten direkt zu befragen und dadurch zu merken, dass es kein „die da oben“ gibt. Präventive Maßnahmen und eigene Erfahrungen mit der Demokratie helfen dabei, einer gewissen Frustration entgegenzuwirken. Wir haben daher immer wieder unterschiedliche Aktionen mit den Teilnehmenden geplant. Hierzu kann man etwa den Besuch des Neuen Rathauses in Hannover und den regelmäßigen Besuch des Niedersächsischen Landtags nennen. Zudem haben uns schon eine ehemalige stellv. Ministerpräsidentin und ein ehem. Oberbürgermeister im Unterricht aufgesucht, um den Teilnehmenden demokratische Abläufe und Werte aus der Praxis zu vermitteln. Auch die digitale Verfolgung der Pattenser Rats- und Ausschusssitzungen wird regelmäßig zum Thema, da meine Kommune die Liveübertragung für alle anbietet. Besonders schön war außerdem der zweitägige Besuch Berlins und des Bundestags, den wir aufgrund der Einladung eines Mitglieds des Bundestages wahrnehmen durften. Wir werden zeitnah auch eine Exkursion in das Wirtschaftsministerium Niedersachsen durchführen und haben dort die besondere Ehre, mit dem Minister und den Mitarbeitenden in das Gespräch zu kommen. Durch solche Möglichkeiten und Erfahrungen sind Berührungspunkte mit demokratiefeindlichen Äußerungen in meinem Umfeld tatsächlich sehr rar gesät, bis nicht mehr existent.

2. Welche Rolle können Sie als Ausbilder einnehmen, wenn Sie von demokratiefeindlichen Äußerungen während des Ausbildungsalltags mitbekommen?

Zuallererst müssen wir in der Praxis hinterfragen, was tatsächlich mit einer Aussage gemeint ist oder ob nicht eine andere Intention hinter dieser Botschaft gesteckt haben könnte. Man kann die Aussage analysieren und neben der Sachebene noch die Beziehungsebene miteinbeziehen. Das heißt: Wollte die Person eigentlich etwas ganz anderes ausdrücken und ist die Aussage wirklich so gemeint? Sollte es ein anderer Kontext gewesen sein, so muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, um aufzuzeigen, was eine „flapsige“ Aussage anrichten kann. Handelt es sich um eine Äußerung, die gegen das Grundgesetz verstößt oder verfassungsfeindlich ist, so ist hier dringend Handlungsbedarf gegeben. Unsere Teilnehmenden werden am Ende der Ausbildung in Institutionen entlassen, die alle auf dem Fundament der Werte unseres Grundgesetzes errichtet worden sind. Unser Staat kann sich keine Feinde unserer Verfassung in Behörden leisten. Dabei ist zu beachten, dass die eigentliche verfassungsfeindliche Gesinnung häufig nicht offen zur Schau gestellt, sondern eher subtil geäußert wird. Ein besonderes Problem sind hierbei Verschwörungstheorien und Falschmeldungen. So bringe ich den Teilnehmenden früh bei, auf welche Dinge man achten sollte: Passen die Bilder zum Kontext? Sind Quellen angegeben? Sind diese Quellen seriös? Berichten weitere seriöse Medien über dieses Ereignis? Jedoch haben wir auch gemerkt, dass hierfür ein breites Fachwissen (egal ob historisch oder politisch) von Nöten ist.

Wenn ich von demokratiefeindlichen Äußerungen mitbekomme, suche ich zunächst das Gespräch mit der entsprechenden Person. Gleichzeitig informiere ich auch das Team und alle weiteren zuständigen Personen. Das Auftreten sollte souverän und direkt erfolgen. Wichtig ist aber auch, nicht zu emotional, sondern konstruktiv zu reagieren und die Haltung zu bewahren – was manchmal natürlich schwerfallen dürfte. Wichtig ist es, den oder die Teilnehmende ernst zu nehmen. Dabei aber auch aufzuklären und deutliche Konsequenzen für ein solches Handeln aufzuzeigen. Hierbei hilft es, Fragen zu stellen: Wie ist diese Person auf eine solche Aussage gekommen? Was meint sie damit? So kann die Chance der Selbstreflexion gewährleistet werden. Sollte keine Einsicht erfolgen, ist es jedoch auch notwendig, Konsequenzen zu ziehen und dadurch für Personen mit ähnlichen Tendenzen und Äußerungen ein Zeichen zu setzen.

3. Demokratiefeindliche Äußerungen von Mitmenschen machen oft sprachlos. Welche Kompetenzen braucht es, um auf diese Äußerungen angemessen reagieren zu können?

Es gilt vor allem, Ruhe zu bewahren. Darüber hinaus hilft es, noch in der Situation Gegenfragen zu stellen – etwa: Wie ist die Aussage gemeint gewesen? Welche Gründe stecken dahinter? Diese Fragen unterstützen dabei, den Gegenüber zu verstehen und zu entwaffnen. Dabei sollte man auch rasch erörtern, ob die gegenüberstehende Person überhaupt den Diskurs sucht oder ob sie demokratiefeindliche Parolen vertritt, bzw. provozieren möchte. Hierbei handle ich klar nach der Maxime: „Hass ist keine Meinung!“. Sollte der Diskurs nicht gewünscht sein, so ist jeder weitere Diskussionsversuch reine Zeitverschwendung. Auch hier ist eine Reaktion von Nöten. Dies bedeutet, die Positionen klar aufzuzeigen und Sanktionen durchzuführen, zu denen man im Stande ist.

In der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Äußerungen gilt es, die eigene Position zu verdeutlichen, eine demokratiefeindliche Aussage klar zu benennen, das Gespräch zu beenden und, wenn notwendig, entsprechende Stellen zur weiteren Handlung zu informieren. Dies vermittle ich auch meinen Teilnehmenden in der Ausbildung, da diese im zukünftigen Kundenkontakt teilweise leider auch mit entsprechenden Situationen konfrontiert werden. Insgesamt braucht es die Kompetenz, das rhetorische Rüstzeug im Rucksack mit sich zu führen und das nötige Grundlagenwissen zu besitzen, um auf entsprechende Aussagen zu reagieren.

4. Welche Unterstützung erfahren Sie selbst, um sich für die Herausforderung mit demokratiefeindlichen Äußerungen zu wappnen?

Hierbei habe ich immer unseren Kumpelverein, die „Gelbe Hand“, in meinem Rücken. Ebenso kann ich mich immer auf meine Gewerkschaft, die IGBCE verlassen, die mir mit Rat und Tat zur Seite steht. Bildung ist das A und O! Wer sich nicht fortbildet, läuft Gefahr, den Anschluss zu den aktuellen politischen und zeithistorischen Gegebenheiten zu verlieren. Für die eigene Weiterbildung ist besonders der gesetzliche Bildungsurlaub von großem Vorteil. Ich habe das Glück, bei einem Arbeitgeber beschäftigt zu sein, der mich immer darin unterstützt, diesen auch zu nutzen. Leider ist die rechtliche Regelung des Bildungsurlaubs Ländersache, weswegen es überall unterschiedliche Regelungen gibt. In manchen Bundesländern existiert der Bildungsurlaub leider überhaupt nicht. Jedoch erhält man gerade bei gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Einrichtungen finanzielle Unterstützung. Das reicht von einer kostenlosen oder sehr günstigen Teilnahme hin zur Fahrtkostenerstattung. Zudem trifft man immer wieder tolle und nette Kolleg*innen und hat neben der Fortbildung auch einen schönen, persönlichen Austausch. Ich selbst habe hier schon viele Freunde gefunden. Besonders schön war es, als ich an einem Morgen sehr früh zu einer mündlichen Prüfung von Haltern am See nach Hannover aufbrechen musste. Die Kolleg*innen der IGBCE haben mir extra ein schönes Lunchpaket gepackt und mir dann auf Instagram in einer Story eine gute und sichere Heimreise gewünscht. Das freut einen umso mehr und motiviert, an demokratiebildenden Themen dranzubleiben.

 

Dieses Interview wurde gemeinsam mit dem Kurs HAQ RVL 2401[3] in Hannover vorbereitet.

 

Angaben zur Person: Matthias Friedrichs (36 Jahre) ist Reha-Ausbilder für die Wirtschafts- und Kommunikationsfächer an der Verwaltungsschule der INN-tegrativ GgmbH (Die Berufsförderungswerke im Norden) am Standort des BRIZ Hannover. Zudem ist er der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Pattensen, sowie seit über 10 Jahren der Vorsitzende des dortigen Bildungsausschusses. Weiterhin ist er einer der beiden Vorsitzenden des Sozialdemokratischen Arbeitnehmer*Innenflügels (AfA) im Bezirk Hannover. Er ist aktives Fördermitglied der Gelben Hand und Mitglied der IGBCE.

 


[1] Die Inhalte der Qualifizierungsseminare rund ums Thema Demokratieförderung in der beruflichen Bildung wurden jeweils in einer Broschüre veröffentlicht. Die Konzepte können kostenlos heruntergeladen und stehen für alle Interessierten zur Verfügung. Sie können unter freier Lizenz genutzt werden: https://www.gelbehand.de/informiere-dich/qualifizierungskonzepte.

[2] Der Text verwendet den Begriff ‚Teilnehmende‘ anstelle von ‚Auszubildenden‘, da es sich um eine schulische und keine duale Ausbildung handelt.

[3] Die Abkürzung steht für Hannover Qualifizierung Rehavorbereitungslehrgang. Der Lehrgang richtet sich an Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können und mit einem neuen Berufsabschluss wieder in das Arbeitsleben einsteigen möchten.