„Ausbilderinnen und Ausbilder können und sollten für Auszubildende stets ein gutes Vorbild sein!"

Ein Gespräch mit Dr. Kirsten Kielbassa-Schnepp über demokratische Gestaltungsspielräume in Handwerksbetrieben.

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Das Handwerk gewinne seinen Fachkräftenachwuchs vorwiegend aus der eigenen Ausbildung in rund 130 dualen Ausbildungsberufen, lesen wir auf der Webseite des ZDH. Welchen Beitrag kann das Handwerk zur Demokratieförderung der jungen Menschen leisten?

Eine Ausbildung vermittelt nicht nur fachliche Kompetenzen. Vielmehr trägt sie darüber hinaus durch das betriebliche Umfeld, den Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Meisterinnen und Meistern, der Kundschaft sowie nicht zuletzt durch das Erfahren des eigenen Beitrags zur Wertschöpfung des Unternehmens wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung und damit auch zu einem wertschätzenden und toleranten Miteinander im Betrieb bei.

Lassen Sie uns etwas konkreter werden. Wenn Sie an den betrieblichen Ausbildungsalltag denken, wo sehen Sie Spielräume im Betrieb, um die demokratische Entwicklung der jungen Menschen zu unterstützen?

Im vorwiegend kleinbetrieblichen Handwerk sind das vertrauensvolle Miteinander von Beschäftigten und eine angemessene Kommunikation mit Kundinnen und Kunden entscheidende Voraussetzungen für den unternehmerischen Erfolg. Besonders bei den häufig sehr heterogen und vielschichtig zusammengesetzten Belegschaften im Handwerk – in vielen Betrieben besteht die Mannschaft aus jungen Auszubildenden und erfahrenen Gesellinnen und Gesellen, Geflüchteten ohne Schulabschluss und Beschäftigten mit Abitur oder Studienerfahrung – ist ein wertschätzender Umgang sehr wichtig. 

Durch regelmäßige Feedbackgespräche nicht nur zur Leistung, sondern auch zum Verhaltenkann die persönliche Entwicklung der Auszubildenden unterstützt werden. Der Ton dieser Gespräche sollte dabei stets freundlich und wertschätzend sein. Bei Meinungsverschiedenheiten sollten Kompromisse gefunden und vereinbart werden. Wichtig ist auch, immer das Positive hervorzuheben. Grundsätzlich sollten positive und negative Leistungen sowie Verhaltensmuster des Auszubildenden von den Ausbilderinnen und Ausbildern direkt angesprochen werden. Das sorgt für Wertschätzung bei den Beschäftigten – eine notwendige Voraussetzung für gelebte Teilhabe im Betrieb. Positiv kann sich dabei zudem auswirken, wenn auch Auszubildende die Möglichkeit haben, an betrieblichen Angeboten der Mitarbeiterbindung teilnehmen zu können, etwa beim betrieblichen Gesundheitsmanagement, bei Projekten zur Familienfreundlichkeit und zur Steigerung der Mitarbeitermotivation.

Ganz entscheidend ist auch das Thema Vorbild: Ausbilderinnen und Ausbilder können und sollten für Auszubildende stets ein gutes Vorbild sein – einmal mehr gilt das und ist wichtig, wenn sie bei ihren Auszubildenden Defizite bei den sozialen Fähigkeiten feststellen. Zudem können im Betrieb Regeln zum Sozialverhalten vereinbart werden. Der ZDH bietet Handwerksbetrieben dazu umfassende Informationen und praktische Tipps in den „Empfehlungen und Maßnahmen zur Umsetzung guter betrieblicher Ausbildungsqualität“ (externer Link).

Auch wenn Demokratiebildung kein regulärer Lehrstoff ist, lernen die Auszubildenden im Ausbildungsbetrieb das demokratische Miteinander, z. B. im Umgang mit Vielfalt oder in Konfliktsituationen. Wen würden Sie als Schlüsselpersonen bezeichnen, die den Auszubildenden demokratische Werte vermitteln können?

Einen entscheidenden Einfluss haben die betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder. Aber auch die Vorbildfunktion ausbildender Fachkräfte und Kolleginnen und Kollegen, mit denen die Auszubildenden zusammenarbeiten, spielt eine Rolle. Und natürlich hat es auch einen großen Einfluss auf das Sozialverhalten der jungen Menschen, wie das Ausbildungspersonal während der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung sowie Berufsschullehrerinnen und -lehrer auftreten und sich verhalten.

Wie können Handwerkskammern die Handwerksbetriebe unterstützen, die die demokratische Entwicklung ihrer Auszubildenden fördern möchten?

Die Handwerkskammern bieten Betrieben über die Ausbildungsberatung unmittelbare Unterstützung für den Ausbildungsablauf an. Häufig werden auch Seminare und Workshops speziell für Auszubildende angeboten – um nur ein Beispiel zu nennen: Die „AzubiAkademie“ der Handwerkskammer Berlin Azubi Akademie - bildung4u (externer Link) informiert Jugendliche über ihre Rechte und Pflichten während der Ausbildung, in diesem Fall u. a. auch über Cybersicherheit und zum „Darknet“.

 

Angaben zur Person: Dr. Kirsten Kielbassa-Schnepp ist Referatsleiterin Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks.