Alles nur Bilder im Kopf?
Auszubildende der Wacker Chemie AG Nünchritz für Toleranz
Erscheinungsjahr: 2015
Die Herausforderungen in der aktuellen Flüchtlingsdebatte und die gleichzeitige Integration in den Arbeitsmarkt gehen auch an der Wacker Chemie AG in Nünchritz und ihren Arbeitnehmer:innen nicht spurlos vorüber. Im Zuge dessen trat die Wacker Chemie AG der Charta der Vielfalt bei. Auch in den Gremien der Arbeitnehmervertretungen, speziell der JAV, wollte man einen weiteren Schritt gehen und die Gruppe der Auszubildenden mit dem Thema in Kontakt bringen, um eine Unternehmenskultur zu fördern, die interkulturelle und integrative Kompetenzen fördert und in der Gruppe der Auszubildenden zu einem Abbau diskriminierungsfördernder Strukturen führt.
Zunächst ist hierzu eine Beschreibung des Unternehmens notwendig: die Wacker Chemie AG beschäftigt deutschlandweit ca. 16.000 Mitarbeiter:innen, hiervon 1.500 am Standort Nünchritz und ist einer der führenden Hersteller für Reinstsilizium und Spezialchemikalien weltweit. An benanntem Standort sind 80 Auszubildende der Berufe Industriemechaniker, Elektroniker für Automatisierungstechnik / Betriebstechnik, Chemielaborant und Chemikant, verteilt auf 4 Lehrjahre, beschäftigt. Auch 2 Dualstudenten Verfahrens- & Elektrotechnik werden dort ausgebildet. Jedoch ist nur ein/e Auszubildende:r unter den 80, die/der keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und nur für die Zeit der Ausbildung geduldet ist.
Dadurch stößt die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oft auf Zurückhaltung und Angst, da das gewohnte Bild im Unternehmen eine Veränderung erfährt. Deshalb plante die JAV gemeinsam mit dem Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) vier Projekttage, in denen die Auszubildenden die Themen Diskriminierung und Rassismus behandelten, aber auch in eine Diskussion zur Flüchtlingsthematik kommen konnten. Zudem trugen verschiedene Rollenspiele dazu bei, dass sich die Auszubildenden in die Lage eines Diskriminierten hineinversetzen konnten. Die Projekttage wurden von der Wacker Chemie AG und dem Land Sachsen zu gleichen Teilen finanziert. Außerdem stellte die Wacker Chemie AG die Räumlichkeiten zur Durchführung und stellte die Auszubildenden für den Projekttag von der Arbeit frei. Das Projekt förderte den kulturellen Austausch untereinander und kann zur Demokratie- und Toleranzförderung im Unternehmen beitragen. Die Auszubildenden sind die Mitarbeiter von morgen und können die Unternehmenskultur nachhaltig positiv verändern. Die Durchführung ist ein klares Zeichen an die Geschäftsführung, sich weiter für die genannten Themen stark zu machen und die Organisation solcher Thementage weiter zu fördern. Dem Thema „Diversity“ wurde sich zudem ebenfalls zugewandt.
Nicht nur die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt ist ein öffentlichkeitswirksames Signal gewesen, sondern die Projekttage selbst auch. In der Branche der Nordostchemie ist uns kein ähnliches Projekt bekannt, daher ist die Durchführung ein Alleinstellungsmerkmal der JAV der Wacker Chemie AG Nünchritz. Dies kam ebenfalls beim Vorstand und der Geschäftsführung an. Viel größer war die Resonanz seitens der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE). Ein Artikel hierzu findet sich auf der Homepage sowie in der Gewerkschaftszeitung „Kompakt“. Viel wichtiger ist jedoch, dass das Projekt ein Pilot für künftige Aktionen in anderen Betrieben ist. Die IG BCE hat im Landesbezirk Nordost deshalb gemeinsam mit dem Kulturbüro Sachsen das Projekt „In einer coolen Demokratie leben“ gestartet. Der Aufbau orientiert sich am Projekt „Alles nur Bilder im Kopf?“ unserer JAV. In der Planung für „In einer coolen Demokratie leben“ spielten die Vertreter der JAV eine große Rolle, da diese Erfahrungswerte besaßen, die sonst niemandem zur Verfügung standen. Die öffentlichkeitswirksame Verbreitung und Vorbildfunktion für andere Unternehmen sind damit hinlänglich bewiesen.
Ähnliche Projekte können in Ausbildungsbetrieben durchgeführt werden, in der Diskriminierung am Arbeitsplatz thematisiert wird. Für die inhaltliche Gestaltung können die Lerneinheiten des Kumpelvereins als Hilfsmittel benutzt werden. Auch können für nähere Information die Organisatoren und Kooperationspartner der Projekttage kontaktiert werden.